Heute habe ich Nachtbereitschaft – eigentlich ab 18 Uhr, aber heute starte ich schon um 13:30 Uhr. Das lohnt sich, denn wie immer hat unsere Hauswirtschaftskraft frisch gekocht. Das gemeinsame Mittagessen ist wie so oft eher kurz – lang sitzenbleiben fällt den Kindern schwer.
In unserer Wohngruppe leben Kinder zwischen 6 und 13 Jahren. Viele von ihnen haben psychische Erkrankungen wie ADHS, Bindungs- oder Angststörungen oder eine posttraumatische Belastungsstörung. Der Alltag fordert viel Aufmerksamkeit, Geduld und Feingefühl – aber genau das macht ihn auch so besonders.
Nach dem Essen ist Mittagsruhe: Die Kinder entspannen etwas oder machen ihre Hausaufgaben. Gemeinsam mit meiner Kollegin springe ich von Zimmer zu Zimmer. Mein Bezugskind Leo hat einen schlechten Tag – wütend fliegt sein Heft an die Wand. Mit viel Ruhe schaffen wir es trotzdem durch die Aufgabe. Um 15 Uhr besprechen wir mit den Kindern den Nachmittag – Struktur gibt Halt. Ich fahre zwei Kinder zum pädagogischen Reiten, Leo kommt mit auf ein Eis.
Abends dann: Essen, Zähneputzen, Duschen, Medienzeit. Und dann wird’s ernst – Die Dunkelheit bringt Ängste mit sich. Leo findet sein Lieblingsbuch nicht, die Wut kommt wieder. Er wird laut, schreit, haut gegen die Wand, sein Stuhl fliegt. Ich begleite ihn in den Regulationsraum, bleibe ruhig, bin einfach da. Es ist inzwischen 21 Uhr. Meine Kollegin hätte jetzt eigentlich Feierabend, aber sie bleibt, bis Leo sich beruhigt hat.
Morgens um 6 geht’s weiter – Kinder zur Schule, dann Zeit für Berichte, Dokumentation, Hilfeplangespräch vorbereiten. Bei der Übergabe hole ich mir noch einen Tipp zu Leo – und wir lachen zusammen, während wir uns austauschen. Der Kontakt zu meinen Kolleg*innen hilft mir immer gute Entscheidungen zu treffen und reflektiert zu bleiben.
Dann geh ich nach Hause – müde, aber zufrieden. Ich weiß: Ich war da, als es wichtig war. Und genau das macht den Job für mich aus.