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Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS oder auch ADS, gehört zu den häufigsten neurobiologischen Entwicklungsstörungen. In Deutschland betrifft sie schätzungsweise etwa fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen. Der Oberbegriff ADHS beschreibt dabei auch Störungsbilder, bei denen statt der Hyperaktivität eher die Aufmerksamkeitsstörung im Vordergrund steht. Im klinischen Alltag wird diese oft als Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) bezeichnet, um die Unterscheidung in der Symptomatik klarzumachen. Da diese hier weniger auffällig ist, ergeben sich für die Betroffenen oftmals Schwierigkeiten im Alltag, da sie unerkannt keine Unterstützung für den Umgang mit ihrer Störung erhalten. Mehr zu Symptomen, Diagnose und Verlauf gibt es in diesem Artikel.
Kurzüberblick
- Begriff ADS wird im klinischen Alltag oftmals für eine Form der ADHS ohne Hyperaktivität genutzt.
- Ursachen sind multifaktoriell: genetische Veranlagung, neurobiologische Veränderungen und Umweltfaktoren wie Geburtstraumata oder psychosoziale Belastungen spielen eine Rolle.
- Diagnostik ist häufig erschwert, da Betroffene unauffälliger sind.
- Symptome variieren altersabhängig: Kinder wirken oft verträumt, Erwachsene zeigen innere Unruhe, Zeitmanagementprobleme und emotionale Instabilität.
- Die individuelle und interdisziplinäre Behandlung umfasst Aufklärung und Psychotherapie sowie unter Umständen Medikamente.
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Was ist ADS?
ADS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung) gehört zum Oberbegriff der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörungen. Sie ist durch eine anhaltende und situationsübergreifende Unaufmerksamkeit gekennzeichnet. Im Gegensatz zur ADHS fehlt bei der ADS die Komponente der Hyperaktivität, wodurch sie oft weniger auffällt und eher seltener diagnostiziert wird.
Symptome wie Hyperaktivität und Impulsivität können auch eine Rolle spielen, allerdings nehmen sie im Vergleich zu den anderen Subtypen der ADHS eine untergeordnete Rolle ein. Die betroffenen Personen haben Schwierigkeiten, sich über längere Zeit zu konzentrieren, Aufgaben planvoll zu bearbeiten oder Gedanken gezielt zu steuern. Typischerweise machen sie häufig Flüchtigkeitsfehler oder verlieren Dinge. Da die Aufrechterhaltung von Konzentration und Struktur ihnen schwerfällt, können sie in beruflichen und schulischen Kontexten häufig nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen.
Wichtig zu erwähnen ist hierbei, dass ADS nicht die Folge von mangelnder Disziplin oder Erziehung ist, sondern als neurobiologische Funktionsstörung klassifiziert wird.
ADS kann sich auch durch Schwierigkeiten beim Umgang mit Emotionen und beim sozialen Miteinander äußern, was häufig zu Missverständnissen führt. Forschungen deuten darauf hin, dass bestimmte Hirnregionen bei der Störung Veränderungen aufweisen. Zudem wird angenommen, dass Stress und Belastungssituationen wie Schlafmangel die Symptome verstärken können.
Unterschied ADS und ADHS
Im Alltag werden die Begriffe oft synonym verwendet. Während ADHS typischerweise jedoch mit Hyperaktivität und Impulsivität verbunden ist, äußert sich ADS primär durch Unaufmerksamkeit. Das bedeutet, dass Personen mit ADS im Gegensatz zu hyperaktiven Kindern oder Jugendlichen weniger durch störendes Verhalten auffallen. Kennzeichnend sind hier eher Verträumtheit, Langsamkeit und mangelnde Organisation.
Zusätzlich ist zu beachten, dass sich die Ausprägung der Symptome im Laufe des Lebens verändern kann. Während hyperaktive Verhaltensweisen bei Kindern stärker in Erscheinung treten, dominieren bei Erwachsenen oft Unaufmerksamkeit und innere Unruhe.
Ursachen
Die Ursachen von ADS lassen sich nicht auf einen einzelnen Auslöser zurückführen. Vielmehr geht man davon aus, dass das Zusammenspiel verschiedener Faktoren zu der Entstehung der Störung beiträgt. Untersuchungen legen nahe, dass genetische Faktoren eine zentrale Rolle spielen, oftmals ist auch eine Häufung innerhalb von Familien zu beobachten. Insbesondere in Zwillingsstudien zeigte sich ein hoher erblicher Einfluss auf die Entstehung von ADHS/ADS. Teilweise wurden auch einzelne Gene untersucht, es wird aber davon ausgegangen, dass vor allem deren gemeinsame Wirkung einen Einfluss auf die Erkrankung hat.
Daneben scheinen Veränderungen im Gehirn, sogenannte neurobiologische Veränderungen, eine Rolle zu spielen. Insbesondere der im Großhirn lokalisierte Frontallappen, welcher unter anderem für die Kontrolle von Impulsen verantwortlich ist, scheint bei der Störung von Bedeutung zu sein. Aber auch in den Basalganglien und dem Kleinhirn scheint es bei Betroffenen teilweise Veränderungen zu geben.
Darüber hinaus können Umweltfaktoren, wie Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt, eine Rolle spielen. Auch frühe psychosoziale Belastungen, wie zum Beispiel Stress und Konflikte im familiären Umfeld können das Auftreten begünstigen.
Auch ein veränderter Stoffwechsel von Botenstoffen im Gehirn, sogenannten Neurotransmittern wie Dopamin und Noradrenalin, scheint die Störung zu beeinflussen. So kommt es in einigen Hirnarealen zu einem Über- bzw. Unterangebot der jeweiligen Neurotransmitter. Der genaue Zusammenhang ist hier allerdings noch nicht endgültig geklärt.
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ADS – Symptome
ADS-Symptome können vielfältig sein und fast jeden Bereich des Erlebens, Verhaltens und Handelns der Betroffenen beeinflussen. Meist stehen hierbei weniger die Symptome aus dem Bereich der Hyperaktivität im Vordergrund. Typisch sind eher eine Zerstreutheit sowie Unaufmerksamkeit. Dies kann sich durch häufiges Verlieren oder Vergessen von Gegenständen oder das Nichtbeenden begonnener Tätigkeiten äußern. Auch Flüchtigkeitsfehler bei Schreibaufgaben sind typisch.
Symptome aus dem Bereich der Impulsivität können auch vorkommen. Betroffene platzen dann beispielsweise mit einer Antwort heraus, bevor eine Frage beendet wurde, oder unterbrechen Gespräche. Darüber hinaus gibt es nicht selten Probleme bei der emotionalen Regulation oder andere Auffälligkeiten wie eine soziale Distanzlosigkeit.
Eine subtile Hyperaktivität kann bei ADS-Patienten auch auftreten. Auffällig ist oft auch eine emotionale Labilität mit Stimmungsschwankungen oder einem verminderten Selbstwertgefühl. Typischerweise äußert sie sich beispielsweise in Form von innerer Unruhe oder auch durch Schwierigkeiten beim ruhigen Sitzen über einen längeren Zeitraum.
ADS – Diagnose
Die Diagnosestellung von ADS erfordert einen umfangreichen klinischen Eindruck sowie eine testpsychologische Diagnostik. Grundlage für die Diagnosestellung sind die Klassifikationssysteme DSM-5 und ICD-11.
Nach den Kriterien des DSM-5 müssen die Symptome bereits vor dem zwölften Lebensjahr aufgetreten sein. Außerdem müssen sie über mindestens sechs Monate bestehen und in mehreren Lebensbereichen, etwa Familie, Schule oder Beruf, zu Beeinträchtigungen führen.
Dem ICD-11 folgend sollte der Beginn der Erkrankung in der frühen bis mittleren Kindheit liegen, was sich in etwa mit der Altersgrenze des DSM-5 deckt. Darüber hinaus müssen für eine Diagnose zwei oder mehr Lebensbereiche durch die Störung betroffen sein.
Diagnostische Verfahren umfassen Interviews, Fragebögen sowie neuropsychologische Tests. Bei Kindern wird die Einschätzung durch Eltern und Lehrkräfte einbezogen. Bei Erwachsenen kommen häufig retrospektive Verfahren wie die Wender-Utah-Rating-Scale zum Einsatz.
Auch eine Untersuchung auf Begleiterkrankungen oder alternative Ursachen wie Depressionen, Angststörungen oder Schilddrüsenfunktionsstörungen ist notwendig, um Fehldiagnosen zu vermeiden. Differenzialdiagnostisch ist es wichtig, die Störung von anderen psychischen Störungsbildern abgrenzen zu können und gegebenenfalls Komorbiditäten (gleichzeitig auftretende Störungen) zu erkennen.
ADS – Verlauf
ADS beginnt meist im Kindesalter. Anders als in der Vergangenheit angenommen, verliert die Störung auch im Erwachsenenalter nicht zwangsläufig an Bedeutung. Im klinischen Alltag ist dies zu beachten, da die Möglichkeit einer AD(H)S-Diagnose sich damit nicht nur auf Kinder als Patienten beschränkt. Die Ausprägung der Symptome kann sich mit dem Alter allerdings verändern.
Bei Kindern äußern sich diese oft als Tagträumerei, scheinbare Abwesenheit und mangelnde Ausdauer. Erwachsene erleben eher eine chronische Desorganisation, Schwierigkeiten im Zeitmanagement und häufige Ablenkung, besonders in Arbeits- und Alltagssituationen. Auch haben sie häufig Schwierigkeiten, ihre Ziele im Berufs- oder Privatleben zu erreichen, da sie sich schwertun, ihre Umwelt zu organisieren und planvoll vorzugehen.
Insgesamt ist der Verlauf der Erkrankung aber stark individuell und wird auch durch das Umfeld und die Lebenssituation der Patienten stark beeinflusst. Ein frühzeitiger Therapiebeginn kann helfen, die Symptomatik positiv zu beeinflussen. Trotz Herausforderungen kann für die Betroffenen so ein besserer Umgang mit der Störung und ein positiverer Verlauf erreicht werden.
Folge- und Begleiterkrankungen
ADS geht häufig mit weiteren psychischen oder neurologischen Störungen einher. Dazu zählen Depressionen, Angststörungen, Lernschwierigkeiten wie Lese-Rechtschreib-Störungen sowie emotionale Dysregulation. Auch Suchterkrankungen oder soziale Anpassungsstörungen treten vermehrt auf.
Der Leidensdruck entsteht nicht nur durch die Kernsymptome selbst, sondern auch durch wiederholtes Scheitern im Alltag, Missverständnisse im sozialen Umfeld und eine häufige Unterschätzung eigener Fähigkeiten. Neben den genannten Begleiterkrankungen können Betroffene auch unter chronischer Erschöpfung und Burnout leiden, da sie oft große Anstrengungen unternehmen müssen, um den Alltag zu bewältigen.
In den letzten Jahren wurde in Studien auch immer wieder festgestellt, dass Betroffene eine erhöhte Gefahr von Unfällen haben. Ergebnisse dazu wurden im Zusammenhang mit Unfällen im Kindesalter gefunden, wo Betroffene ein signifikant erhöhtes Unfallsrisiko zeigten. Auch im Erwachsenenalter zeigt die Forschung in diesem Bereich, dass Betroffene häufiger in Autounfälle verwickelt sind.
Eine umfassende Behandlung sollte daher immer auch Begleiterkrankungen berücksichtigen und gegebenenfalls mitbehandeln.
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ADS – Behandlung
Zu Beginn der Behandlung sollte die von ADS betroffene Person umfassend über die Störung und ihre Auswirkungen auf den Alltag aufgeklärt werden. Die Therapie sollte stets individuell erfolgen und kann sowohl psychotherapeutische, pädagogische als auch medikamentöse Maßnahmen umfassen.
Idealerweise sollte über eine Behandlung durch eine Zusammenarbeit von Hausärzten, Psychiatern, Psychologen, den Patienten selbst und bei Kindern den Eltern entschieden werden.
Im Mittelpunkt stehen, vor allem bei leichten Verläufen, gesprächstherapeutische Maßnahmen. Hierbei werden oftmals auch andere Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen behandelt. Bei Kindern werden zusätzlich Elternschulungen angeboten, um den Umgang mit auffälligem Verhalten zu erleichtern. Auch Neurofeedback und Coaching im Alltag haben sich als hilfreich erwiesen.
Bei einigen Betroffenen kann eine medikamentöse Therapie sinnvoll sein. Häufig werden dabei Medikamente mit dem Wirkstoff Methylphenidat, auch Ritalin genannt, eingesetzt. Ziel ist es dabei, die Konzentration zu verbessern sowie die Impulsivität zu verringern.
Passende Jobs im sozialen Bereich
Passende Jobs im Sozialwesen findet man bei Sozial-Karriere. Hier gibt es Jobs als Sozialarbeiter, Schulbegleiter-Stellen und Jobs als Sozialpädagoge.
- ICD-11 in Deutsch – Entwurfsfassung, https://www.bfarm.de/... (Abrufdatum: 07.08.2025)
- Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), https://www.thieme-connect.de/... (Abrufdatum 07.08.2025)
- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, https://next.amboss.com/... (Abrufdatum 16.05.2025)
- ADHS – Symptome, Diagnose, Behandlung, https://shop.bioeg.de/... (Abrufdatum: 07.08.2025)
- Häufigkeit, https://adhs-deutschland.de/... (Abrufdatum: 07.08.2025)
- Substance Abuse and Mental Health Services Administration. DSM-5 Changes: Implications for Child Serious Emotional Disturbance. Rockville (MD): Substance Abuse and Mental Health Services Administration (US). (2016). Table 7, DSM-IV to DSM-5 Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder Comparison. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abrufdatum: 07.08.2025)
- Klassifikation von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen in der ICD-11. (2022). In M. Döpfner & T. Banaschewski, Zeitschrift Für Kinder- Und Jugendpsychiatrie Und Psychotherapie, 50(1), S. 51–53. https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000854
- Ursachen von ADHS, https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/... (Abrufdatum: 07.08.2025)
- Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), https://www.bundesgesundheitsministerium.de/... (Abrufdatum: 07.08.2025)